Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen

Bis 1981 waren in der Schweiz zehntausende Kinder und Erwachsene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen betroffen. In vielen Fällen haben sie darunter schwer gelitten und ihre körperliche, psychische oder sexuelle Integrität oder ihre geistige Entwicklung wurde unmittelbar und in schwerer Weise beeinträchtigt. Diesen Personen ist insbesondere folgendes Leid angetan worden:

  • Verdingkinder wurden auf Bauernhöfen als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, haben massive körperliche und/oder psychische Gewalt erlebt und wurden oft auch sexuell missbraucht;
  • Kinder und Jugendliche wurden in streng geführten stationären Einrichtungen (Heimen) platziert und dort misshandelt;
  • Personen, deren Lebenswandel nicht der gesellschaftlich akzeptierten Norm entsprach, wurden von den Vormundschaftsbehörden in Arbeits- oder sogar Strafanstalten "administrativ versorgt" (d. h. ohne strafrechtliches Urteil);
  • Junge Frauen wurden unter grossen psychischen Druck gesetzt und gezwungen, einer Abtreibung, einer Sterilisation oder einer Adoption eines oder mehrerer ihrer Kinder zuzustimmen;
  • Von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen betroffene Personen waren zum Teil auch gegen ihren Willen bzw. ohne ihr Wissen Medikamentenversuchen mit unerprobten Substanzen oder Zwangsmedikationen ausgesetzt.

Im Jahr 2010 entschuldigte sich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Namen des Bundesrates für das grosse Leid, das den administrativ versorgten Personen angetan wurde. Im Jahr 2013 folgte die Entschuldigung von Bundesrätin Simonetta Sommaruga bei allen Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. Damit ist ein Prozess in Gang gekommen, in dem dieses schwierige Kapitel der Schweizer Sozialgeschichte aufgearbeitet wurde bzw. nach wie vor wird.

Ein wichtiger Schritt war dabei die Ausarbeitung des Bundesgesetzes über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG), welches vom Parlament mit deutlichen Mehrheiten beschlossen wurde und am 1. April 2017 in Kraft trat. Für dessen Vollzug ist auf Bundesebene der Fachbereich Fürsorgerische Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen (Fachbereich FSZM) beim Bundesamt für Justiz zuständig. Das AFZFG schafft die Rahmenbedingungen für eine umfassende gesellschaftliche und individuelle Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen in der Schweiz vor 1981. Zentral ist dabei die Anerkennung und Wiedergutmachung des Unrechts, das den Opfern zugefügt wurde.

Das Gesetz sieht hierzu verschiedene Massnahmen vor:

  • die Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrages von 25 000 Franken pro Opfer;
  • die Beratung und Unterstützung von Opfern und anderen Betroffenen durch kantonale Anlaufstellen und Archive;
  • weitere Fördermassnahmen zugunsten der Opfer (insbesondere Selbsthilfeprojekte);
  • die wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik.

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Letzte Änderung 20.08.2024

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